Wie schlecht steht es um den Versandhandel in Deutschland

Wie schlecht steht es um den Versandhandel in Deutschland?

In den 1950er Jahren gehörte zu fast jedem deutschen Haushalt auch ein dicker Versandhauskatalog. Aus diesem Katalog wurde dann ein- bis zweimal im Jahr bestellt, was man so brauchte. Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke gehörten dazu, ebenso wie die passende Kleidung für alle Jahreszeiten. Heute sieht es um den Versandhandel in Deutschland nicht so gut aus, denn bestellt wird woanders.

Das Ende einer Erfolgsgeschichte

Mit Klingel und Deerberg hat es gleich zwei der bekannten deutschen Versandhändler getroffen, die den Betrieb einstellen müssen. Besonders Klingel gehörte zu den bekanntesten Vertretern des deutschen Versandhandels, der auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken kann. Im Januar 2024 ist endgültig Schluss, denn es hat sich kein Investor gefunden, der das Haus übernehmen will. Damit gehen 1300 Arbeitsplätze verloren. Deerberg ist ein weiteres Beispiel für eine Pleite im Versandhandel in Deutschland. Der Verkauf wird bereits im September dieses Jahres eingestellt, nachdem das Unternehmen im Juni Insolvenz angemeldet hatte. Wie bei Klingel hat sich auch für Deerberg kein Investor gefunden. Betroffen sind bei diesem Versandhaus 270 Arbeitsplätze.

Der Stress wächst

Der Versandhandel in Deutschland steht momentan unter großem Stress. Bestellen die Deutschen nicht mehr so viel im Netz und was ist aus der Prognose geworden, dass der Versandhandel ein Wachstumsmarkt ist? Die aktuellen Prognosen sagen etwas anderes, sie prophezeien noch weiteren Unternehmen ein ähnliches Schicksal wie Klingel und Deerberg. Das starke Wachstum der vergangenen Jahre ist nur durch Investitionen in die Infrastruktur zustande gekommen, aber auch durch die Menschen, die für die Versandhäuser gearbeitet haben. Die hohen Fixkosten und schließlich die Zurückhaltung beim Kauf haben dann für das Ende gesorgt. Ist die Inflation hoch, wie es im Moment der Fall ist, dann kaufen die Menschen weniger ein, was jetzt auch der Versandhandel in Deutschland zu spüren bekommt.

Der kranke Mann Europas

Schon lange hat die Branche davor gewarnt, dass es zu einem Abschwung der Konjunktur in Deutschland kommt. Die Sorgen vor einer Insolvenzwelle nach der Corona-Pandemie und jetzt durch die Inflation sowie die stetig steigenden Kosten für Energie sind deutlich spürbar. Für den Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, ist Deutschland längst „der kranke Mann Europas“. Seiner Meinung nach fängt es bei den zu hohen Kosten für Energie an, dann kommen die Bürokratie und die Genehmigungsverfahren, die gefühlt eine Ewigkeit dauern. Abgerundet wird das Ganze ferner mit zu hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie der Unternehmenssteuer. Als Standort ist Deutschland damit mehr als unattraktiv geworden. Jetzt trifft es auch die Online- und Versandhändler. Allein Klingel musste im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 20 Prozent bei der Kleidung hinnehmen.

Fazit

Der Handel im Internet kann sich plötzlich dem schlechten Konsumumfeld nicht mehr länger entziehen. Dabei ist es kein Problem, dass es speziell einen Versandhändler trifft, vielmehr ist der gesamte Einzelhandel in enormen Schwierigkeiten. Gefordert werden daher bessere Rahmenbedingungen, denn nur dann kann der Versandhandel wieder wachsen. Bei Deerberg und Klingel kamen gleich mehrere Faktoren zusammen. Beide Versandhändler haben erklärt, dass die Kauflaune der Deutschen durch die viel zu hohe Inflation infolge des Kriegs in der Ukraine sehr deutlich zurückgegangen ist. Dazu kommen die steigenden Kosten für die Herstellung der Kataloge sowie die notwendigen IT-Umstellungen.

Bild: @ depositphotos.com / Pictograph

Ulrike Dietz